Die Ursprünge der Mercedes-Benz Sicherheitsentwicklung sind so alt wie das Automobil selbst. Denn ein sicherer Betrieb ihrer revolutionären Erfindungen war bereits den Automobilpionieren Carl Benz und Gottlieb Daimler wichtig. Bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts fehlt jedoch eine systematische Forschung zu diesem Thema – auch bei der damaligen Daimler-Benz AG.
Béla Barényi fängt bei Daimler an
Das ändert sich vor 80 Jahren, als das Stuttgarter Unternehmen den Ingenieur Béla Barényi anstellt. Er überzeugt im Vorstellungsgespräch mit seinen Visionen von einem sicheren Auto der Zukunft. Am 1. August 1939 übernimmt er die neu gegründete Abteilung für Sicherheitsentwicklung.
1966 formuliert Barényi gemeinsam mit dem frisch ernannten Mercedes-Benz Entwicklungsvorstand Hans Scherenberg die bis heute gültige Aufteilung von aktiver und passiver Fahrzeugsicherheit: Die passive Sicherheit steht für konstruktive Lösungen, welche den Menschen vor den Auswirkungen eines Unfalls schützen. Von ihr unterscheidet sich die aktive Sicherheit. Diese setzt auf Systeme, die unterstützend in das Fahrverhalten eingreifen, um die Schwere eines Unfalls zu verringern oder ihn ganz zu vermeiden.
Béla Barényi meldet im Lauf seiner Karriere bei Mercedes-Benz von 1939 bis 1972 rund 2.500 Patente an, die meisten davon betreffen Innovationen für die Fahrzeugsicherheit. In Anerkennung seiner bahnbrechenden Arbeiten wird er 1994 in die „Automotive Hall of Fame“ (AHOF) in Dearborn (Michigan, USA) aufgenommen. Damit schließt sich vor 25 Jahren ein Kreis in der Geschichte der passiven Sicherheit von Mercedes-Benz.
Seit dem Beginn der 2000er-Jahre haben beide Stränge der Sicherheitsentwicklung im Mercedes-Benz Konzept der integralen Sicherheit zusammengefunden. Die Marke führt die Fahrzeugsicherheit immer weiter in die Zukunft. Dazu gehören insbesondere die intuitiven und intelligenten Technologien des Konzepts Intelligent Drive.
Forschung für Sicherheit
Die zahlreichen Innovationen für die passive Sicherheit von Mercedes-Benz sind nicht denkbar ohne die intensive Forschung der Marke zum Thema. So beginnen beispielsweise vor 60 Jahren am 10. September 1959 im Werk Sindelfingen systematische Unfallversuche mit kompletten Fahrzeugen („Crashtests“), die immer weiter verfeinert werden.
Bereits seit 1956 erprobt Mercedes-Benz einzelne Fahrzeugkomponenten mit Beschleunigungsschlitten auf ihr Unfallverhalten. Und auch Erkenntnisse aus realen Verkehrsunfällen fließen seit 50 Jahren in die umfassende Sicherheitsentwicklung der Mercedes-Benz Produkte ein: Ab 1969 analysiert und rekonstruiert der Bereich Unfallforschung solche Kollisionen.
Die Experimental-Sicherheitsfahrzeuge
Das Stuttgarter Unternehmen beteiligt sich auch an weltweiten Forschungsvorhaben für die Fahrzeugsicherheit. Dazu gehört in den 1970er-Jahren beispielsweise das Programm der Experimental Safety Vehicles (ESV). Unter dem Namen Experimental-Sicherheitsfahrzeug (ESF) entstehen bei Mercedes-Benz verschiedene Forschungsfahrzeuge.
Beispielsweise im ESF 24 aus dem Jahr 1974 auf Basis der S-Klasse der Baureihe 116 werden unter anderem wegweisende Innovationen der passiven Sicherheit erprobt – etwa Gurtkraftbegrenzer und Airbag (Premiere 1981 in der S-Klasse der Baureihe 126) sowie Sitze mit integrierter Gurtverankerung (Premiere 1989 im SL der Baureihe 129).
Schritte zur Zukunft der Sicherheit
Das erste Projekt von Barényi bei Mercedes-Benz ist ein Versuchsfahrzeug mit neuartiger Bodengruppe. Dieser Plattformrahmen bietet nicht nur einen Komfortgewinn durch eine deutliche Reduzierung der sogenannten Schüttelschwingungen, sondern zugleich auch einen deutlich besseren Schutz gegen Seitenaufprall als der frühere X-Ovalrohrrahmen.
Als Chef der Karosserie-Versuchsabteilung, des Einzelwagenbaus und mehrerer Montageabteilungen verantwortet Karl Wilfert die in Sindelfingen erarbeiteten Lösungen für die Fahrzeugsicherheit. Am 23. April 1949 meldet er das Sicherheitszapfentürschloss zum Patent an.
Das ist ein wichtiger Schritt hin zum Keilzapfentürschloss mit zwei Sicherheitsrasten, welches Türen auch bei einem Unfall geschlossen hält und so die volle Stabilität der Fahrgastzelle sichert. Es wird 1958 zum Patent angemeldet. Im selben Jahr bietet Mercedes-Benz Sicherheitsgurte für sämtliche Fahrzeuge mit vorderen Einzelsitzen an – eine gesetzliche Gurtpflicht in Deutschland wird aber erst 1976 eingeführt.
Die Sicherheitskarosserie der Baureihe 111 ist ein Meilenstein
Ein Meilenstein der passiven Sicherheit geht aus einer Idee von Béla Barényi Anfang der 1950er-Jahre hervor: Eine Personenwagen-Karosserie, die bei einem Unfall die Bewegungsenergie der Kollision durch gezielte Verformung von Vorbau oder Heck aufnimmt und dadurch in Kombination mit einer gestaltfesten mittleren Zelle, die Passagiere möglichst gut schützt.
Das Konzept wird 1951 zum Patent angemeldet und als Sicherheitskarosserie erstmals ab September 1959 in der Serienfertigung der Mercedes-Benz „Heckflossen“ -Oberklasselimousinen der Baureihe W 111 verwirklicht. Für die definiert verformbaren Bereiche an Front und Heck setzt sich umgangssprachlich der Begriff „Knautschzone“ durch.
Der W 111 zeichnet sich durch weitere Innovationen der passiven Sicherheit aus: Mercedes-Benz verwirklicht hier erstmals den „entschärften“ Innenraum, der bewusst die Zahl harter und scharfkantiger Bedienelemente reduziert. Dazu kommen das Lenkrad mit großflächiger Prallplatte sowie die Serienpremiere des Keilzapfentürschlosses mit zwei Sicherheitsrasten.
So wird die Baureihe W 111 durch gleich eine ganze Reihe von Innovationen zu einer branchenprägenden Fahrzeuggeneration für die passive Sicherheit. Das betrifft die Konstruktion der Karosserie (äußere Sicherheit) ebenso wie die Gestaltung des Fahrzeuginnenraums (innere Sicherheit).
Passive Sicherheit gehört zur Sicherheitskultur von Mercedes-Benz
Im Lauf der Jahrzehnte verbessern Innovationen von Mercedes-Benz auf unterschiedlichen Gebieten den Stand der passiven Sicherheit immer weiter. Dazu gehören beispielsweise Sicherheitslenksäulen sowie unterschiedliche Karosseriedetails. Insbesondere ermöglichen es die Fortschritte in Elektronik und Sensorik, auch auf diesem Gebiet ganz neue Kapitel aufzuschlagen: Ohne Digitaltechnik sind wegweisende Innovationen wie etwa Airbags nicht möglich.
Die Airbag-Entwicklung bei Mercedes-Benz beginnt 1966, das entsprechende Patent meldet das Unternehmen 1971 an. Als erste serienreife Lösung wird der Fahrer-Airbag 1981 in der S-Klasse der Baureihe 126 eingeführt. Die Innovation wird aufgrund ihrer fundamentalen Bedeutung schnell von der gesamten Automobilbranche aufgegriffen.
Das Grundprinzip der ersten Airbags gilt bis heute: Wenn das Steuergerät über verschiedene Sensoren einen schweren Unfall registriert, wird bei Bedarf der Airbag ausgelöst. Dabei füllt ein Gasgenerator den Luftsack. Der Airbag ergänzt dabei die Rückhaltewirkung des Sicherheitsgurts, der mit pyrotechnischen Gurtstraffern und Kraftbegrenzern ausgestattet ist. Er wird daher auch als SRS (Supplementary Restraint System – zusätzliches Rückhaltesystem) bezeichnet.
Heutige Personenwagen sind oft mit vielen weiteren Airbags als Bestandteil der integralen Sicherheit ausgestattet. Sie reichen vom Kneebag über den Beltbag im Fond bis zum Thorax-Pelvis-Sidebag. Mercedes-Benz hat diese Entwicklung mit kontinuierlichen Innovationen vorangetrieben: Der Beifahrer-Airbag mit seiner Weltpremiere im Jahr 1987 in den Limousinen und Coupés der S-Klasse ist seitdem ein Merkmal der passiven Sicherheit. Ab 1998 gehört der Windowbag zur Familie dieser potenziell lebensrettenden Komponenten in Mercedes-Benz Fahrzeugen.
Innovative Details für die ganzheitliche Sicherheit
Für die Erfolgsgeschichte der passiven Sicherheit bei Mercedes-Benz sind ganzheitliche Entwürfe wie die Sicherheitskarosserie ebenso wichtig wie innovative Details. Ein solches ist beispielsweise der automatisch auslösende Überrollbügel des Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129. Auch seine Funktion wird durch die Weiterentwicklung von Elektronik und Sensorik möglich.
Im Ruhezustand ist der Überrollbügel aus hochfestem Stahlrohr unauffällig vor dem Verdeckkasten abgelegt. So wird die Freude am Offenfahren nicht durch einen starren Bügel beeinträchtigt. Im Fall eines Überschlags registriert die Fahrzeugsensorik diese Gefahr und löst den Bügel aus, der in 0,3 Sekunden hochklappt und einrastet. So sichert er den Überlebensraum der Passagiere.
Der R 129 feiert vor 30 Jahren im März 1989 auf dem Genfer Automobil-Salon seine Weltpremiere. Neben dem automatischen Überrollbügel sind auch die Integralsitze Bestandteil seines Sicherheitskonzepts. In sie sind Sicherheitsgurte und Gurtstraffer eingebaut.
Die vielen innovativen Details der Stuttgarter Marke für die passive Sicherheit aus acht Jahrzehnten sind heute Bestandteil des ganzheitlichen Konzepts einer integralen Sicherheit. Auf dieser Grundlage arbeitet Mercedes-Benz mit zahlreichen Entwicklungs- und Forschungsvorhaben an künftigen Dimensionen der Fahrzeugsicherheit.
Quelle: Daimler AG