Der neue Mercedes-Benz SL sorgt auf dem Genfer Automobil-Salon vor 30 Jahren gleich doppelt für Aufsehen: Einerseits verbindet der R 129 gekonnt eine einzigartige Tradition mit innovativer Technik. Zugleich vereint er perfekt die Ziele Sportlichkeit und Komfort. Das Ergebnis ist ein kultivierter, offener Sportwagen, der für „die Faszination des Fahrens in nicht gekannten Dimensionen“ steht. So heißt es in der Mercedes-Benz Pressemappe zum Genfer Automobil-Salon, der vom 9. bis 19. März 1989 stattfindet.
Kunden und Fachwelt schätzen den neuen SL für sein hohes technisches Niveau ebenso wie für die Gestaltung. Bereits 1990 erhält der Sportwagen den Car Design Award für Serienfahrzeuge der Stadt Turin und der Region Piemont. Bruno Sacco, Direktor des Mercedes-Benz Designbereichs, nimmt den Preis entgehen. Das Design des SL trägt seine Handschrift – mit klaren Linien und Flächen ohne Schnörkel, einer leicht keilförmigen Karosserie und kraftvollen Akzenten. Die Gestaltung sorgt auch für gute Aerodynamik: Ist das serienmäßige Hardtop montiert, erreicht der R 129 einen vorzüglichen Luftwiderstandsbeiwert von cW=0,32.
Sportliche Tradition
Der neue SL setzt nahtlos die Tradition der Mercedes-Benz SL Seriensportwagen fort. Sie beginnt mit den Typen 300 SL (W 198, 1954 bis 1963) und 190 SL (W 121, 1955 bis 1963). Es folgen der „Pagoden“-SL der Baureihe W 113 (1963 bis 1971) sowie der SL der Baureihe R 107 (1971 bis 1985), von dem zeitgleich auch die SLC-Oberklasse-Coupés (C 107) abgeleitet wird. Begründet wurde der Mythos SL im Jahr 1952 auf den Rennstrecken der Welt: Der neue 300 SL Rennsportwagen (W 194) gewinnt in seiner ersten und einzigen Rennsaison auf Anhieb vier von fünf Rennen und ebnet damit den Weg für den Mythos SL.
Die Entwicklung des R 129 nimmt Mercedes-Benz bereits Mitte der 1970er-Jahre auf. Es gibt auch wieder Überlegungen zu einem vom offenen Sportwagen abgeleiteten Coupé, wie bei der Baureihe 107, das aber nicht realisiert wird. Anfang der 1980er-Jahre nimmt die Arbeit dann deutlich an Fahrt auf. Das Modell, das im November 1981 im Windkanal vermessen wird, trägt bereits klar die gestalterische Handschrift der Ära von Bruno Sacco. Am 17. Oktober 1984 erhält der Roadster die Formfreigabe, und am 10. Dezember 1985 legt Mercedes-Benz fest, dass die Produktion der Baureihe R 129 im August 1988 beginnen soll.
Zum Start des neuen Roadsters gibt es 1989 zwei Typen mit Dreiliter-Reihensechszylindermotor (300 SL mit140 kW / 190 PS und 300 SL-24 mit 170 kW / 231 PS sowie Vierventiltechnik) und außerdem den Fünfliter-V8-Typ 500 SL mit 240 kW / 326 PS (ab 1992: 235 kW / 320 PS). Die Entwicklung eines Spitzenmodells mit V12-Motor gibt das Unternehmen im Dezember 1986 frei.
Innovationen für die Sicherheit
Hohe Ansprüche an die passive Sicherheit sind für die Entwicklung einer neuen Mercedes-Benz Personenwagenbaureihe selbstverständlich. Bei offenen Fahrzeugen gibt es jedoch neben den herkömmlichen Unfallszenarien wegen des fehlenden festen Dachs ein zusätzliches Risiko bei einem Überschlag. Früh in der Entwicklungsphase denken die Väter der Baureihe R 129 daher über eine Targa-Lösung nach, in der die B-Säule zum festen Überrollbügel erweitert ist. Doch die klassische Linienführung des Roadsters wäre gestört.
Mercedes-Benz findet eine ausgesprochen innovative Lösung: den automatischen Überrollbügel. Er feiert vor 30 Jahren im SL Weltpremiere. Eine zentrale Rolle spielt bei der Erfindung der Ingenieur Karl-Heinz Baumann. Die vorgespannte Feder-Dämpfer-Einheit richtet den Überrollbügel bei fahrkritischen Situationen in nur 0,3 Sekunden auf.
Eine weitere Innovation für die passive Sicherheit – und für den Komfort – sind die im R 129 erstmals von Mercedes-Benz verwirklichten, elektrisch verstellbaren Integralsitze. Darin sind jeweils das Dreipunkt-Gurtsystem mit Gurtaufroller und Gurtstraffer sowie die Gurthöhenverstellung und die damit gekoppelte Kopfstützenverstellung integriert. Zu den innovativen Lösungen gehört zudem die im neuen SL nochmals auf ein höheres Niveau gebrachte passive Sicherheit.
Komfortables Reisen – offen wie geschlossen
Viel Entwicklungsarbeit stecken die Ingenieure auch in das vollautomatische Stoffverdeck der Baureihe R 129. Es hat eine aufwendige Gestellkinematik, und das Steuergerät überwacht die Abläufe unter anderem mit 17 Endschaltern. Premiere hat im neuen SL auch das Windschott. Heute gehört diese Lösung zu den Standards für offene Fahrzeuge. Eine weitere Besonderheit ist das in späteren Jahren lieferbare Hardtop mit Panorama-Glasdach.
Zum hohen Komfort trägt das moderne Fahrwerk bei. Dazu gehört das Adaptive Dämpfungs-System ADS, das im R 129 Weltpremiere hat. Es passt die Dämpfung vollautomatisch in Sekundenbruchteilen an den jeweiligen Fahrzustand an und ist mit einer automatischen Niveauregulierung gekoppelt.
Kultivierte Leistung
Der Sportwagen stößt auf eine begeisterte Resonanz, und die Kunden schöpfen von Anfang an die im Werk Bremen vorhandene Produktionskapazität aus. In den ersten rund zweieinhalb Produktionsjahren laufen bis Dezember 1991 bereits 52.204 Fahrzeuge der Baureihe R 129 vom Band. 25.709 dieser Sportwagen werden allein im Jahr 1991 produziert. Mehr als ein Drittel davon (34,7 Prozent) gehen in den Export nach Nordamerika, Deutschland ist der zweitwichtigste Markt mit 30,4 Prozent.
Im Sommer 1992 stellt Mercedes-Benz das neue Topmodell vor, den 600 SL mit V12-Motor und 290 kW (394 PS) Leistung. Es ist der erste SL überhaupt mit einem Zwölfzylindermotor. Seinen exklusiven Charakter unterstreicht das Interieur mit Wurzelholz und Leder. Außen verweisen nur das Typenschild und das V12-Emblem an den Luftauslassschlitzen auf die Top-Motorisierung.
Die Neuorganisation der Mercedes-Benz Typbezeichnungen gilt ab Juli 1993 auch für den SL: Die Klassenbezeichnung steht nun vor der Ziffernfolge mit Bezug zur Motorgröße. Zugleich werden die beiden Dreiliter-Varianten 300 SL (der letzte SL mit dieser magischen Bezeichnung) und 300 SL-24 durch den SL 280 (142 kW / 193 PS) und den SL 320 (170 kW / 231 PS) abgelöst. Beide haben Vierventil-Sechszylindermotoren. Lediglich neue Namen bekommen der V8-Roadster SL 500 und das V12-Spitzenmodell SL 600. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 85.300 Fahrzeuge der Baureihe R 129 produziert worden, der SL ist damals das weltweit erfolgreichste offene Fahrzeug der Oberklasse.
Exklusive Sondermodelle und sportlich optimierte Topmodelle beflügeln in den 1990er-Jahren den Erfolg der Baureihe R 129 zusätzlich. So entsteht aus der direkten Zusammenarbeit von Mercedes-Benz mit AMG im Jahr 1993 als neues Topmodell der SL 60 AMG mit 280 kW (381 PS) Leistung. Zwischen 1994 und 2001 entstehen insgesamt 20 Sonderserien in unterschiedlichen Auflagen, die sich zwischen zehn und 1.515 Fahrzeugen bewegen. Zu den begehrten Sondermodellen gehören beispielsweise die Mille-Miglia-Edition und die Special Edition.
Modellpflege für den SL
Zur IAA 1995 stellt die Stuttgarter Marke den überarbeiteten SL vor. Äußerlich ist er am Kühlergrill mit sechs Lamellen, durchgehend weißen Leuchteinheiten vorn, bichromatischen Heckleuchten und neuen Seitenwandverkleidungen zu erkennen. Zu den technischen Änderungen gehört das neue, elektronisch gesteuerte Fünfgang-Automatikgetriebe in 500 SL und 600 SL. Unter der Überschrift „Licht aus Gas“ stellt Mercedes-Benz die neuen Xenon-Scheinwerfer vor. Der Lichtstrom der Gasentladungslampen ist doppelt so hoch wie jener von herkömmlichen Halogenlampen.
Premiere hat im modellgepflegten SL auch das neue Panorama-Glasdach aus vier Scheiben unterschiedlicher Stärke, die mit dem Tragwerk aus Aluminium verklebt sind. Es ist ab 1996 optional lieferbar.
Technik für das neue Jahrtausend
Der SL wird kontinuierlich weiterentwickelt. So erhalten beispielsweise alle Typen des Roadsters ab Dezember 1997 den Bremsassistenten BAS. Im April 1998 stellt Mercedes-Benz auf dem Turiner Autosalon den erneut aktualisierten SL vor. Zur Modellpflege gehören unter anderem neue V6-Motoren in den Typen SL 280 (150 kW / 204 PS) und SL 320 (170 kW / 231 PS) sowie ein neuer V8-Motor im SL 500 (225 kW / 306 PS). Veränderungen im Exterieur sind Aluminium-Fünflochräder, das sichtbare Auspuffendrohr, Außenspiegel in einer an den SLK der Baureihe R 170 angeglichenen Form sowie Türgriffe und Schließzylinder in Wagenfarbe. Innen fallen das neue Vierspeichen-Lenkrad, Anzeigeninstrumente mit Chromrahmen und die serienmäßige Nappa-Lederausstattung auf.
1999 folgen zwei AMG-Varianten des aktualisierten SL. Der SL 55 AMG erhält den in anderen Baureihen bereits etablierten 5,5-Liter-V8-Motor (260 kW / 354 PS). Der SL 73 AMG fährt hingegen mit seinem V12-Motor und 386 kW (525 PS) in eine neue Leistungsdimension. Eine Besonderheit der AMG-Typen ist neben sportlicher Optik die Mischbereifung mit hinten breiteren Aluminiumrädern und Reifen.
Die Produktion des eleganten Roadsters endet 2001. Insgesamt werden in zwölf Jahren Bauzeit 204.940 Fahrzeuge produziert. Der erfolgreichste Typ ist mit fast 80.000 Exemplaren der 500 SL / SL 500 mit Vierventilmotor. Zur Vielfalt der Roadster tragen die Möglichkeiten der stilvollen Individualisierung durch das designo-Programm bei, aber auch die zahlreichen Sondermodelle.
Quelle: Daimler AG