Die neue Modellgeneration der Typen 250 S, 250 SE und 300 SE präsentiert Mercedes-Benz im August 1965. Die Baureihe W 108 tritt die Nachfolge der sechszylindrigen Heckflossen-Limousinen an und gilt als erste eigenständige Oberklassen-Baureihe von Mercedes-Benz – schon zu Beginn ist es eine Typenfamilie, die beständig ausgebaut wird. Allen Modellen gemeinsam ist eine von Paul Bracq gezeichnete Karosserie, deren klare Linienführung auf modisches Beiwerk verzichtet und die mit ihrer zurückhaltenden Eleganz auch heute noch zeitlos wirkt.
Hinsichtlich des technischen Konzepts entsprechen die neuen Typen weitgehend ihren Vorgängermodellen. Neu sind außer der Karosserie die beiden 2,5-Liter-Motoren, die man aus den entsprechenden 2,2-Liter-Aggregaten durch Aufbohren und Vergrößerung des Hubs entwickelt hat; bei der Einspritzversion wird anstelle der Zweistempelpumpe nun eine Sechsstempel-Einspritzpumpe verwendet. Im Gegensatz zu seinem Vorgängermodell ist der neue 300 SE nicht mehr mit Luftfederung ausgerüstet. Dafür hat er, wie auch die beiden 2,5-Liter-Typen, eine hydropneumatische Ausgleichfeder an der Hinterachse, die anstelle der bisherigen Schraubenfeder montiert ist und das Niveau des Aufbaus unabhängig von der Beladung konstant hält.
Mercedes-Benz 300 SEL mit Luftfederung
Im März 1966 erweitert der Typ 300 SEL die Modellpalette, der einen gegenüber dem Basismodell um 100 Millimeter verlängerten Radstand hat. Der Raumgewinn kommt dabei ausschließlich dem Fußraum im Fond und der Einstiegsbreite der Fondtüren zugute. Wie bei seinem direkten Vorgänger mit gleicher Typenbezeichnung gehört auch beim neuen 300 SEL Luftfederung zur Serienausstattung. Werksintern sind die Typen mit konventioneller Federung in der Baureihe 108 zusammengefasst, der luftgefederte 300 SEL wird jedoch unter der Bezeichnung W 109 einer eigenständigen Baureihe zugeordnet.
Die Produktion der Modelle 250 SE und 300 SE endet mit Beginn des Jahres 1968; als Nachfolger werden im Januar die Typen 280 S und 280 SE vorgestellt, die sich nur in der Motorisierung und in Ausstattungsdetails von ihren Vorgängern unterscheiden. Der neu entwickelte 2,8 Liter Sechszylinder leistet in der Vergaserversion 140 PS (103 kW) und mit Benzineinspritzung 160 PS (118 kW). Eine leistungsgesteigerte Version des Einspritzmotors mit 170 PS (125 kW) wird nicht nur in den 280 SL eingebaut, sondern kommt – ebenfalls ab Januar 1968 – auch im 300 SEL zum Einsatz, wo er den bisherigen 3,0 Liter Leichtmetallmotor ersetzt.
Das Spitzenmodell 300 SEL 6.3
Spitzenmodell der Modellreihe wird im März 1968 der Typ 300 SEL 6.3, der den V8-Motor und das Automatikgetriebe des Typs 600 (W 100) hat und damit das Leistungspotential hochkarätiger Sportwagen erreicht. Seine Vorstellung auf dem Genfer Salon ist eine Sensation, zumal es im Vorfeld keinerlei Andeutungen gab. Von außen ist der 6.3 nur an den breiteren Reifen, den Halogen-Doppelscheinwerfern und den zusätzlichen Weitstrahlern zu erkennen. Der Motor leistet 250 PS (184 kW), bedeutsamer dürfte aber das gewaltige Drehmoment von 51 mkg sein. Damit beschleunigt die Limousine in 8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 221 km/h angegeben. Obwohl er über 10 000 DM mehr kostet als ein 300 SEL und mehr als doppelt so teuer ist wie der 280 SE, stößt der 300 SEL 6.3 auf lebhaftes Interesse und wird in einer Stückzahl von 6 526 Einheiten produziert.
Im Herbst 1969 wird der 300 SEL mit 2,8-Liter-Sechszylinder vom Typ 300 SEL 3.5 abgelöst, dessen Antriebsaggregat ein völlig neu konstruierter „kleiner“ V8-Motor mit 3,5 Liter Hubraum und 200 PS (147 kW) ist. Ab März 1971 kommt dieser Motor auch in den Typen 280 SE 3.5 und 280 SEL 3.5 zum Einsatz; sie haben eine konventionelle Stahlfederung. Der 280 SE mit Sechszylindermotor ist auch weiterhin erhältlich, während der 280 SEL zugunsten des Achtzylindermodells aus dem Programm genommen wird. Ausschließlich für den nordamerikanischen Markt gibt es parallel zum 3,5-Liter-V8-Motor eine leistungsstärkere Variante mit 4,5 Liter Hubraum, die ab Mai 1971 in den Exportmodellen 280 SE 4.5, 280 SEL 4.5 und 300 SEL 4.5 ausgeliefert wird. Die Produktion der insgesamt sehr erfolgreichen Baureihe 108/109 wird Ende 1972 eingestellt. Nachfolger sind die „S-Klasse“-Modelle der Baureihe 116.
Sonderausführungen der Baureihe W 108/W 109
In den Jahren 1966 und 1967 entstehen in Sindelfingen drei besondere 300 SEL für den Vatikan. Im Juni 1966 wird ein Landaulet mit normalem Radstand fertig gestellt, das sich von der Serienlimousine durch einen einzelnen Sessel im Fond sowie das bis zur Vorderkante der Fondtüren reichende Landaulet-Verdeck unterscheidet. Fast ein Jahr später, im Mai 1967, kommen zwei identische sechssitzige Limousinen zur Auslieferung, die auf einer um 650 Millimeter verlängerten Bodengruppe aufbauen. Während das Landaulet neben einem Mercedes-Benz 600 als Zweitwagen für Seine Heiligkeit selbst fungiert, setzt der Vatikan die Pullman-Limousinen zur Beförderung seiner Gäste ein.
Als besondere, nicht auf dem freien Markt angebotene Modellvariante der Baureihe 108/109 entsteht 1971 die Sonderschutz-Ausführungen des 280 SEL 3.5, die zwischen Mai 1971 und August 1972 in 28 Exemplaren produziert werden. Hauptkunde ist die Bundesrepublik Deutschland, welche die Fahrzeuge für einige Auslandsvertretungen kauft.
Die Baureihen W 108/W 109 in der Presse
Auto, Motor und Sport, Deutschland, Heft 6/1968, über den Mercedes-Benz 300 SEL 6.3:
„Wir übernahmen eines der sorgfältig gehüteten ersten Exemplare, das noch nicht mit der Bezeichnung ‚6.3’ verziert war. Das Fehlen dieser Bezeichnung hat zweifelsohne einige Porsche 911 und 911 S-Fahrer in Verwirrung gebracht, die sonst Könige der Autobahn von dem harmlos-distinguiert aussehenden Mercedes abgehängt wurden. Falls einer von ihnen zufällig diese Zeilen lesen sollte: Er braucht sein Fahrzeug nicht wegen mangelhafter Leistung beim Werk zu reklamieren.“
Quelle: Daimler AG / Vatikan