Die mittlere Klasse von Mercedes-Benz erhält im Juni 1995 ein völlig neues Gesicht: Die zukunftsweisende Maske mit ihren vier elliptischen Scheinwerfern war erstmals in der Coupé-Studie zu sehen, die Mercedes-Benz im März 1993 auf dem Automobilsalon Genf gezeigt hat. In der E-Klasse der Baureihe W 210 geht das dynamische Antlitz zwei Jahre darauf in Serie.
Nicht nur die Front, auch das fließende, an die Linienführung eines Coupé erinnernde Heck des W 210 trägt eine Aufsehen erregend neue Formensprache. Prompt wird die neue E-Klasse mit dem renommierten Designpreis „Roter Punkt“ ausgezeichnet. Mehr als 70 Preise erhält die E-Klasse in den sieben Jahren ihrer Produktion insgesamt – unter anderem für Insassensicherheit, Design, Umweltverträglichkeit und Effizienz.
Die E-Klasse als Innovationsführer
Mehr als 30 technische Neuerungen werden in der neuen E-Klasse umgesetzt. Zur Serienausstattung des W 210 gehören das elektronische Traktionssystem ETS, elektrische Fensterheber vorn und hinten, Außentemperaturanzeige, Staubfilter und eine dritte Bremsleuchte auf der Hutablage: alles Ausstattungsmerkmale, die in der E-Klasse bisher nicht oder nur als Sonderausstattung angeboten worden sind. Auch der Regensensor für die Scheibenwischanlage, ein Luftgütemesser für die Klimatisierungsautomatik und die mit Ultraschall arbeitende Einparkhilfe PARKTRONIC (PTS) sind Systeme, die in der neuen E-Klasse Premiere feiern. 1997 kommt das Fahrberechtigungssystem ELCODE dazu, das über einen elektronischen Tür- und Zündschlüssel bedient wird, außerdem der Bremsassistent BAS, der Notbremsungen erkennt und bei Bedarf automatisch die maximale Bremskraftunterstützung aufbaut.
Besonders beeindruckt die Limousine durch ihren hervorragenden Luftwiderstandsbeiwert von cW=0,27 und ihren hohen Standard der Fahrzeugsicherheit. Dafür sind die Karosserie mit ihren großen Deformationszonen und Rückhaltesystemen im Innenraum zuständig, die noch wirksamer sind als bisher. So setzt Mercedes-Benz im W 210 als weltweit erste Automarke serienmäßig Gurtkraftbegrenzer ein. Neu entwickelte Sidebags verbessern den Seitenaufprallschutz weiter. Damit steht die Baureihe W 210, die im Jahr 1995 ihre erfolgreiche Vorgängerin W 124 ablöst, konsequent in der Tradition der mittleren Klasse von Mercedes-Benz als Innovationsträger.
Die mittlere Klasse als Erfolgsmodell
Die Geschichte der mittleren Klasse lässt sich zurückführen auf den Mercedes-Benz 170 V des Jahres 1947 (Baureihe W 136). Die als „Ponton-Mercedes“ bekannt gewordenen Typen 180 und 190 der Bau-reihen W 120 und W 121 folgen ab 1953 und werden 1961 von der „Vierzylinder-Heckflosse“ der Baureihe W 110 abgelöst. Von 1968 an prägen die als „Strich-Acht“ bekannt gewordenen Baureihen W 114 und W 115 die mittlere Klasse der Marke, erstmals sind auch eine Limousine mit langem Radstand und ein Coupé in der Modellpalette enthalten.
Die nächste Baureihe der mittleren Klasse ist der W 123, der 1976 vorgestellt wird. Zum ersten Mal gibt es ein so genanntes T-Modell („T“ für Touristik & Transport) eine Kombilimousine im Programm von Mercedes-Benz. Die Baureihe W 124 kommt schließlich 1984 auf den Markt und ergänzt das Modellangebot 1991 um ein elegantes, viersitziges Cabriolet. Der W 124 ist auch der erste Mercedes-Benz, der nach der Modellpflege 1993 die neue Bezeichnung E-Klasse trägt.
„Classic“, „Elegance“ und „Avantgarde“: drei Varianten für die E-Klasse
Bereits in der C-Klasse W 202 hat sich das Konzept bewährt, ein Modell serienmäßig in verschiedenen Varianten, „Lines“ genannt, anzubieten und somit individuellen Kundenwünschen gerecht zu werden. Diese unterscheiden sich in Designdetails und Ausstattung. Auch die E-Klasse W 210 erscheint 1995 in mehreren Varianten. Zur Auswahl stehen die drei Lines „Classic“, „Elegance“ und „Avantgarde“. Einschränkungen in der Kombination von Line und Motor gibt es nicht, jede Ausstattungsvariante ist mit jedem Motor lieferbar.
„Classic“ ist die Basisversion der neuen E-Klasse, ein komplett ausgestatteter Mercedes-Benz mit zahlreichen technischen Innovationen. Äußerlich ist diese Line bewusst etwas zurückhaltender gestaltet. Die Line „Elegance“ rollt auf Leichtmetallrädern im Zehnloch-Design und bietet Extras wie Holzverkleidungen, Lederbezüge von Schalthebel und Lenkrad sowie eine Belüftung des Fonds. Chromauflagen auf den Türgriffen und Stoßfängern sowie den seitlichen Schutzleisten heben die Ausstattungsvariante äußerlich von der „Classic“-Line ab.
Die „Avantgarde“-Modelle setzen sich noch deutlicher von ihren Geschwistern ab: Eine eigene Kühlermaske mit fünf horizontalen Chromstreben gibt dieser Line ein eigenes Gesicht. Daneben leuchten Xenon-Scheinwerfer mit Gasentladungslampen und dynamischer Leuchtweitenregulierung. Die Fahrzeuge sind serienmäßig tiefergelegt, haben ein Sportfahrwerk und Breitreifen auf 16 Zoll-Leichtmetallrädern im Fünfloch-Design, die bei den anderen Varianten auf Wunsch erhältlich sind. Ein Jahr nach dem Serienstart kommt die exklusive AMG-Variante des W 210 auf den Markt. Der E 50 AMG ist ausschließlich mit Achtzylinder-Motor und Fünfgang-Automatikgetriebe erhältlich.
E 200 oder E 420, E 220 Diesel oder E 290 Turbodiesel: Die Modelle des W 210
1995 umfasst die Modellpalette der W 210-Limousine zunächst acht Motorisierungen, davon fünf mit Ottomotoren: Die beiden Vierzylinder E 200 und E 230, die Sechszylinder E 280 und E 320 sowie den Achtzylinder E 420. Als Dieselfahrzeuge werden der E 220 Diesel (Vierzylinder) und E 300 Diesel (Sechszylinder) angeboten, sowie der E 290 Turbodiesel.
Die meisten Aggregate basieren auf verlässlichen Motoren, die sich bereits in den Baureihen 124 (alte E-Klasse) und 202 (C-Klasse) bewährt haben und in der neuen E-Klasse in modifizierten Versionen eingesetzt werden. Eine völlige Neuentwicklung ist allerdings der Motor OM 602 DE 29 LA (2,9 Liter Hubraum, fünf Zylinder) mit Direkteinspritzung, Abgas-Turbolader und Ladeluftkühlung ausgerüstet. Im E 290 Turbodiesel wird dieses Motorkonzept erstmals in einen Mercedes-Benz Personenwagen eingebaut. Gegenüber dem nahezu hubraumgleichen Sechszylinder-Saugmotor mit drei Liter Hubraum zeichnet sich die mit konventioneller Zweiventiltechnik ausgestattete Neuentwicklung durch ein deutlich höheres Drehmoment bei niedrigerem Kraftstoffverbrauch aus. Der neue Motor ist der erste Schritt von Mercedes-Benz bei der Einführung von direkteinspritzenden Pkw-Dieselmotoren für komfortorientierte Kunden.
Die Optimierung von Kraftstoffverbrauch, Abgasemission und Verbrennungsgeräuschen ist auch Ziel der Entwicklung bei den Ottomotoren, zum Beispiel dem neuen 2,3-Liter-Motor mit vier Zylindern. Das Aggregat ist vom bisherigen 2,2-Liter-Aggregat abgeleitet, der größere Hubraum wird vor allem in höheres Drehmoment umgesetzt. Die höhere Verdichtung und die neue Brennraumgeometrie reduzieren den Verbrauch und machen den Motor leiser. Der Motor mit zwei Liter Hubraum erhält ebenfalls eine neue Brennraumgeometrie, außerdem eine modifizierte Einspritzanlage – ein HFM-System mit Heißfilm-Luftmassenmesser. Auf HFM-Motorsteuerung wird auch die Einspritzanlage des V8-Motors (4,2 Liter Hubraum) umgestellt. Sowohl dieser E 420 als auch der E 50 AMG werden ausschließlich mit dem neuen elektronisch gesteuerten 5-Gang-Automatikgetriebe geliefert.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Die Motorisierung der verschiedenen Modelle des W 210 wird während der gesamten Bauzeit immer wieder mit Innovationen verbessert. Aus einer ganzen Reihe von Neu- und Weiterentwicklungen ragen die beiden V6-Motoren heraus, die 1997 vorgestellt werden. In den Modellen E 280 und E 320 arbeiten Motoren der neuen Baureihe M 112, die bewährte Reihensechszylinder-Aggregate gleichen Hubraums ablösen. Die neuen Motoren sind um ein Viertel leichter als ihre Vorgänger. Der Einsatz von Leichtbaumaterialien und weitere Innovationen wie Dreiventil-Technik und Doppelzündung reduzieren Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemission entscheidend.
In der langen Produktionszeit der erfolgreichen Baureihe ist der E 430, angetrieben von dem V8-Motor der Baureihe M 113, das hubraumstärkste Serienmodell mit einer Leistung von 205 kW (297 PS) bei 5750/min. Der V8-Motor weist mit Dreiventiltechnik, Doppelzündung und reibungsarmen Leichtmetall-Laufbuchsen die gleichen innovativen Konstruktionsdetails auf wie die Sechszylinder-Aggregate der Baureihe M 112. Die leistungsstärkste E-Klasse kommt aber weiterhin von AMG: Der 1997 präsentierte E 55 AMG holt eine beeindruckende Leistung von 260 kW (354 PS) aus dem V8-Motor mit 5,5 Liter Hubraum.
1998 kommen mit den Modellen E 200 CDI und E 220 CDI zwei Motorvarianten auf den Markt, deren Dieselaggregate mit Common-Rail-Direkteinspritzung ausgerüstet sind und ältere Modelle mit Vorkammer-Saugmotoren ersetzen. 1999 schließlich, drei Jahre vor der Markteinführung der nächsten E-Klasse (W 211) wird die Baureihe im Rahmen einer Modellpflege überarbeitet.
4MATIC: Allradantrieb für die E-Klasse
Die Modelle der E-Klasse mit Allradantrieb unter dem Namen 4MATIC sind bereits aus der Baureihe W 124 bekannt. Allerdings ist das Antriebskonzept für die neue Baureihe 210 grundlegend weiterentwickelt worden. Der permanente Allradantrieb ist jetzt mit dem elektronischen Traktionssystem, genannt ETS, kombiniert, das die herkömmlichen Differentialsperren konventioneller Allradfahrzeuge ersetzt. ETS schaltet sich automatisch dazu, wenn mindestens ein Rad auf zu glattem Untergrund durchdreht. Dann wird der Bremsdruck an diesem Rad so lange erhöht, bis eine vorgegebene Geschwindigkeits-Differenz erreicht ist. Dadurch wird das Antriebsmoment an den Rädern mit guter Fahrbahnhaftung erhöht und die Traktion maximiert. Entwickelt und gebaut werden die neuen 4MATIC-Modelle wieder in bewährter Zusammenarbeit mit der Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik GmbH Graz in der Steiermark – Österreich.
E-Klasse T-Modell und Sonderversionen
Ein Jahr nach der Markteinführung der Limousine stellt Mercedes-Benz 1996 das T-Modell der mittleren Baureihe (S 210) vor. Die Kombilimousine hat einen größeren hinteren Überhang als die Limousine. Gegenüber dem Vorgänger aus der Baureihe 124 erlaubt das einen deutlich größeren Laderaum. Wie die Limousine, wird auch das T-Modell in den Ausstattungsvarianten „ Classic“, „Elegance“ und „Avantgarde“ angeboten. AMG produziert analog zur Limousine leistungsstarke sportliche Spitzenmodelle des E-Klasse T-Modells.
Auf dem T-Modell basieren auch die Fahrgestelle mit Teilkarosserie (VF 210), die zum Ausbau für Krankenwagen und andere Sonderausführungen – darunter auch Limousinen der E-Klasse in Langversion – angeboten werden. Das Fahrgestell VF 210 wird gegenüber dem T-Modell grundsätzlich um 737 Millimeter verlängert. Gebaut werden die Fahrgestelle mit Teilkarosserien bei der Firma Binz in Lorch. Als besonders exklusive Variante der E-Klasse wird 1996 für das thailändische Königshaus ein E 320 lang mit einer vollwertigen dritten Sitzreihe gebaut, dessen Radstand um 970 Millimeter gegenüber der Kombilimousine verlängert ist.
Bereits seit 1995 bietet Mercedes-Benz die neue E-Klasse auch in Sonderschutz-Ausführung an. Es ist ein Novum in der Markengeschichte, dass Modelle der mittleren Typenreihe in beschussgesicherter Ausführung direkt ab Werk serienmäßig lieferbar sind. Eine solche Fertigung ist durch die steigende Nachfrage sinnvoll geworden. Die E-Klasse in Sonderschutzausführung richtet sich vor allem an jene Kunden, die ein gesteigertes Schutzbedürfnis haben, aber selbst fahren wollen.
Zunächst wird nur die leistungsstärkste Version E 420 in Sonderschutz-Ausführung angeboten. 1997 kommt eine leichter geschützte Version nach der Schutzklasse B4 dazu, die weitestgehende Sicherheit vor Faustfeuerwaffen bietet. Dieses Modell ist mit Acht- und Sechszylindermotor lieferbar. Für die Produktion der Sonderschutzmodelle im Werk spricht neben der jahrelangen Erfahrung von Mercedes-Benz vor allem, dass die Schutzelemente schon während der Produktion in die Karosserie integriert werden können. Somit kann Mercedes-Benz einen Sicherheitsstandard am Werk bieten, den nachträgliche Sonderschutz-Ausrüstungen nicht erreichen.
Solche exklusiven Sondermodelle ändern aber nichts daran, dass die E-Klasse der Baureihe W 210 ganz in der Tradition ihrer Vorgänger steht: Als erfolgreichstes Fahrzeug der oberen Mittelklasse baut die 1995 vorgestellte und bis 2002 produzierte Limousine ihren Marktanteil sogar noch gegenüber dem Vorgänger aus. Insgesamt laufen 1 374 199 Limousinen vom Band und 279 238 T-Modelle, bevor die Baureihe 210 im Jahr 2002 von der neuen Baureihe 211 abgelöst wird.
Quelle: Daimler AG